Ich habe fertig – Kreativ-Frühstück zum Nachlesen und -schauen

    Wer definiert im kreativen Prozess das Ende? Ist es die Deadline, die Zeichenanzahl, die Willkür, der Kunde?

    Das Ende – oder besser die Vollendung – eines „Werks“ haben nicht nur einen massiven Einfluss auf dessen Rezeption sondern auch auf dessen Wirtschaftlichkeit.

    Darüber sprach ich beim Kreativ-Frühstück der Fachgruppe Werbung im April mit der Jazzsängerin, Komponistin und Pianistin Katrin Weber und der Texterin und Autorin Felicitas Prokopetz.

    Im Café Edison, dem langjährigen Host des Kreativ-Frühstücks, machten es sich mehr als 30 Mitglieder der Fachgruppe Werbung bequem und genossen das Frühstück. Wir sprachen über Technik, Perfektionismus und harte Entscheidungen. Und natürlich übers Loslassenkönnen.

    Felicitas Prokopetz, die erst kürzlich ihren ersten Roman „Wir sitzen im Dickicht und weinen“ veröffentlicht hat, erzählte von dem sehr langen Prozess: Von der Entscheidung einen Roman zu schreiben bis zu seiner tatsächlichen „Materialisierung“ als Buch dauerte es an die drei Jahre. „Fertig“ fühlte sich das Projekt aber bereits an, als sie das Manuskript beendet hätte.  

    Als Werbetexterin falle ihr die die Fertigstellung eines Auftrages nicht schwer. Man könne sie auch mitten in der Nacht aufwecken und ihr würden die passenden Sätze einfallen. (die Moderatorin, ebenfalls Texterin, verblasste vor Neid…)

    Katrin Weber, deren aktuelle CD „Trieb heißt“, betonte, dass das Ende eines Musikstückes – zumindest auf dem Papier – nicht schwer zu finden sei. Live auf der Bühne veränderten sich die Stücke allerdings. Insofern sei man eigentlich nie wirklich fertig damit. Ihr Werk verändere sich auch, je nachdem wer es mit ihr gemeinsam performe.

    Die Frühstücksgäste brachten sich sehr aktiv in die Diskussion ein. Offenbar arbeiten viele Werber*innen auch künstlerisch. Da sei der Moment der Vollendung eines Werkes nicht ganz so eindeutig. Im kommerziellen Bereich dagegen wären die eigenen Ansprüche oft höher als jene der Kund*innen. Insofern falle es vor allem den erfahrenen Kommunikator:innen nicht schwer, zu einem ökonomischen Ende zu finden.

    Loslassen und Beurteilung
    Felicitas Prokopetz berichtete, dass man sie beim Studium auf vieles, nicht aber auf die Reaktionen des Publikums vorbereitet hätte. Sie habe allerdings in den vielen gemeinsamen Schreibsessions, bei denen die angehenden Autor*innen einander ihre Werke vortrugen, gelernt, dass diese völlig unterschiedlich wahrgenommen würden. Das habe sie gelehrt, dass man die Beurteilung seines Werkes keinesfalls persönlich nehmen dürfe.

    Leichter gesagt als getan – das kollektive Seufzen im Edison war deutlich zu hören😊 Wünsche nach einer objektiveren, weniger geschmäcklerischen Beurteilung der Arbeit wurden laut.

    Im künstlerischen Bereich gehe es vor allem auch um den persönlichen Ausdruck, den Entstehungsprozess. Kommerzieller Erfolg sei kein adäquates Bewertungskriterium. Schon gar nicht, wenn man Jazzmusik mache, so Katrin Weber, die mit ihrer sehr kleinen Nische der Jazzfans sehr gut leben kann. Allerdings sei klar, dass sie einen Brotberuf (Gesangslehrerin) haben müsse, um sich die Kunst zu leisten.

    Eine schöne Idee gab uns die gelernte Schauspielerin Barbara Stieff mit auf den Weg: Um gute kreative Arbeit abzugeben, müsse man sein Herz öffnen. Wenn diese aber geleistet sei, müsse man es wieder verschließen. Dann könne man auch mit negativem Feedback auf einer weniger persönlichen Ebene umgehen.

    Premiere beim Kreativ-Frühstück: Live-Impro-Perfomance

    Zum Schluss las Felicitas Prokopetz eine Schlüsselstelle aus ihrem Buch. Was sie las, machte betroffen. „Wir sitzen im Dickicht und weinen“ ist stellenweise keine leichte Kost. Mit Leichtigkeit allerdings ging Katrin Weber ans Werk: Sie improvisierte gesanglich einen Absatz aus dem Text. Stimmgewaltig malte sie das Bild einer Kletterpflanze in den Raum – ein akustisches Bild, dass den Werber:innen noch lange in Erinnerungen bleiben wird.  

    Zur Gesangs-Improvisation Katrin Weber   

    Hier findet ihr die – wie immer wunderbaren – Fotos von Pepo Schuster.